Quellen für den Unterricht

Auf den folgenden Seiten stehen Einzelquellen aus den Beständen der Landesarchive zur Verfügung, die für den Unterricht besonders geeignet sind. Diese digitalisierten Originale wurden kommentiert und bei Bedarf durch eine Transkription ergänzt.

Die hier zur Verfügung gestellte Sammlung wird laufend erweitert und ergänzt. Gerne nehmen wir für unser Angebot auch thematische Anregungen und Wünsche entgegen, die wir im Rahmen unserer Möglichkeiten umsetzen werden.

Kontakt

Landeshauptarchiv Koblenz
Dr. Christine Goebel
c.goebel(at)lav.rlp.de
Tel. 0261 9129-117

Landesarchiv Speyer
Dr. Gisela Fleckenstein
g.fleckenstein(at)lav.rlp.de
Tel. 06232 9192-121

Quelle: Hexenprozesse in Winningen: Maria ("Mergen") Knebel, 1631 (LHA Ko Best. 33 Nr. 8853, S. 100)

Text:
Decretum
In peinlicher sachen der verordtneter außschuß zu Winningen als clegern ahn einem gegen undt wieder Mattheißen Knebels Haußfraw Mariam daselbst beclagtin anderen theils wirdt hiemit uff beschehene clag/ gefurder kundtschafft/ so gut- alß peinliche bekantnus, wie dan verschiedene auß beyden loblichen f[ürstlichen] Sponheimischen cantzleyen der verordtener rechtsgelehrten zu St. Goar und Coblentz auß den gepflogenen Acten ertheilte avisen, endtlich auch darauff beschehene revision durch herrn vogt undt scheffen dieser orths zu recht erkandt daß die peinlich beclagtin durch daß schwerdt zum todt hingerichtet undt der corper zur eschen verbrandt sollte werden wie sie dan zu solchem allem crafft dieß verwiesen undt condemnirt wirdt. Actum Winningen den 16ten Junii Anno etc. [1]631
Maria Mattheiß Knebels Haußfrauw zu Winningen ist anno etc. [1]631 den 10ten Junii daselbst hingericht, auch mit wahrer rew undt leidt über ihre sundt gehabt, undt christlichem eiffer, undt uff ihr gethane bekantnus bestendig verharret undt gestorben.
Pro copia Anthonius Ludwigh notarius publicus undt gerichtschreiber in der Bergpflege, scripsit et subcripsit m[anu propria]

Literatur: Walter Rummel und Rita Voltmer: Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (=Geschichte Kompakt), Darmstadt 2008.

Quelle: Protokollnotiz des kurpfälzischen Amts- und Gerichtsschreibers Gerlin, erstellt in Gegenwart des Schultheißen Haass und des Georg Kuhn, beide Mitglieder des Gerichts, Mörzheim, 21. Juli 1770 (LA Sp Best. F 11 Nr. 1157)

Zusammenfassung:
Johannes Schwartz war 1764 zu seinen Geschwistern nach Nordamerika (Pennsylvanien) gegangen. Als er 1767 in seine Heimat zurückkehren wollte, erlitt er Schiffbruch und ertrank. Wegen der von ihm hinterlassenen Erbschaft und darauf liegender Schulden erfolgte von Seiten des zuständigen kurpfälzischen Amts- und Gerichtsschreibers eine Hinterlassenschaftsaufnahme, zu der der folgende Protokolltext als Erläuterung gehört.

Volltext:
"Nachdem Johannes Schwartz, weyl[and] Georg Schwartz dahier lediger Sohn in a[nn]o 1764 mit dem Vorgeben sich nacher Pensylvanien begeben, um seine daselbsten befindliche Schwester zu besuchen, daraufhin aber und zwar in a[nn]o 1767 durch einen aus erm[elte]m Pensylvanien anhero gekomenen Mandatarium mit Nahmen Jacob Hoffman nicht nur die Anzeige geschehen, sondern auch von demselben durch ein engeländisches Zeitungsplatt, (welches a latere benamster Ambtsschr[eiber] selbst bey Ambt gelesen), das erm[elter] Joh[anne]s Schwartz im Rückweeg nach Teutschland Schiffbruch erlitten und mit vielen anderen Persohnen zugrund gegangen seye. Inmittelst dann auch weiters angezeigt worden, dass derselb nebst seinem Vermögen dahier auch verschiedene Schulden hinterlasen hatt, dann, dass desen Güther sein Bruder, der Georg Schwartz, bis hiehier im Genus gehabt, damit gleich seinem Eigenthumb geschaltet habe; als wurdt diesem nach für nöthig befunden, des Verunglückten Joh[anne]s Schwartz Aktiv und Passiv Vermögen von Gerichts wegen zu conscribiren, damit demnechst entweder p[unc]to confiscationis [= Beschlagnahmung] oder bei deren Ermangelung p[unc]to successionis [=Erbfolge], dass in diesem Fall auch wegen dem Besthaubtrecht und Landsfundigebühr das weitere von höherem Orth besorgt werden könne.
Welche Verrichtung eben geschehen in Beyseyn des Georg Schwartz Burgers dahier als Bruders des Johannes Schwartz, wie auch Velten Schwartz als nahen Anverwandten, sodan Conrad Müller als Curatorio über des Joh[annes] Schwarzen Schwestern, die sich in Pensylvanien befinden."

Kommentar:
Der Protokolltext zeigt sehr schön die Beziehungen, die trotz einer Auswanderung "hier: aus der Pfalz"  nach der "Neuen Welt" noch zwischen den Familienmitgliedern existierten. Diese Beziehungen erscheinen hier zwar in erster Linie in erbrechtlicher Hinsicht - "die in Pennysvania lebenden Schwestern des Verunglückten haben ein Erbrecht an seinem Vermögen", doch stehen dahinter auch soziale Beziehungen.
Schließlich weist der Anlass des Protokolltextes, "der Tod durch Ertrinken infolge Schiffbruches bei der Rückreise nach Europa", auf die beträchtlichen Gefahren solcher Migrationsvorgänge hin. Dass der Ertrunkene überhaupt den Rückweg eingeschlagen hatte, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass man mit einer Auswanderung nicht immer die erhofften Ziele erreichte.
Sodann gibt der Text schon aufgrund seiner Entstehungszeit im 18. Jahrhundert Aufschluss über noch mittelalterlich anmutende herrschaftliche Rechtsansprüche an das Vermögen von Verstorbenen: Besthaupt und eine Abgabe, die dem "Landesfundus" geschuldet ist, also dem Recht des Landesherrn an allem Grund und Boden, auf dem sich seine Untertanen befinden.

Quelle: Anzeige des Landkommissarats Kaiserslautern an die königlich-bayerische Regierung (LA Sp Best. H 1 Nr. 1975 fol. 89)

Text:
"Kaiserslautern den 8ten May 1849
Hohes Praesidium der K[öniglichen] Regierung der Pfalz!
Unter ehrerbiethigster Anlage dreyer Proklamationen wird gehorsamst angezeigt, daß in der heutigen Nacht zwischen 4 ? 5 Uhr Allarmmarsch geschlagen wurde, worauf sich alle waffenfähigen Bürger mit einer zahlreichen bewaffneten Jugend in dem Fruchthaussaale versammelten. Die Ursache war die Anzeige, daß circa 800 Mann preußische Soldaten in der Pfalz auf dem Marsche nach Germersheim oder Landau gesehen worden sein sollen. Um 8 ½ Uhr wurde der Abmarsch wieder aufgehoben.
In Gefolge der Aufforderung an sämmtliche Beamte vom 3ten dieß wurde von einer sehr großen Anzahl derselben an die Majestät des Königs die Bitte gerichtet, durch Genehmigung der Reichsverfaßung die nahestehende Gefahr der Verachtung u[nd] Mißhandlung von Seiten des höchst aufgereizten Volkes abzuwenden. Die neuesten Vorgänge außerhalb Neustadt rechtfertigen diesen Schritt im Vereine der umständlichen Erwägung, daß die Angestellten u[nd] Beamten ihre Wirksamkeit nicht verlieren dürfen.
Mit der Form u[nd] juridischen Beleuchtung[1] war der Unterzeichnete u[nd] gar viele nicht einverstanden.Es wolle gnädigst den bedrängten Zeitverhältnissen Rechnung getragen werden.
Eines hohen Praesidiums
unterthänig gehorsamstes Landkommissariat.
Praedl"

[1] "Beleuchtung", in der älteren deutschen juristischen Terminologie svw. Beratung; eine Sache "beleuchten", d. h. eine Sache betrachten, durchberaten (Deutsches Rechtswörterbuch, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1. Band: Aachenfahrt bis Bergkasten, bearb. von Richard Schröder und Eberhard Freiherrn von Künßberg, Weimar 1914-1932, Sp. 1528 f.). Es geht hierbei also um eine juristische Betrachtung.

Kommentar:
Als Reaktion auf revolutionäre Unruhen, die sich von Frankreich nach Deutschland auszubreiten drohten, hatte der Bundestag in Frankfurt am Main am 10. März 1848 einen Ausschuss eingesetzt, der die bestehende Bundesverfassung an die neuen politischen Verhältnisse anpassen sollte. Nach einer entsprechenden Aufforderung des Bundestages fanden in allen Staaten des Deutschen Bundes Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung statt, die am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat. Die Nationalversammlung verabschiedete am 28. Juni 1848 ein Gesetz über eine "provisorische Zentralgewalt für Deutschland" und wählte am Tag darauf Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser. Am 12. Juli 1848 erklärte der bisherige Bundestag seine Arbeit für beendet und delegierte seine Verantwortung an die neue "Zentralgewalt" unter dem Reichsverweser.
Nach langwierigen Debatten verkündete die Nationalversammlung schließlich am 28. März 1849 die "Verfassung des Deutschen Reiches", die unter anderem einen umfangreichen Grundrechtekatalog enthielt und als Staatsform eine konstitutionelle Monarchie mit einem Erbkaiser an der Spitze vorsah. Zum "Kaiser der Deutschen" wählte die Nationalversammlung König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der aber die ihm angebotene Kaiserkrone am 3. April ablehnte. Damit war die Nationalversammlung mit ihrer neuen Reichsverfassung faktisch gescheitert. Ebenso wie Österreich und die anderen deutschen Königreiche erklärte auch König Maximilian II. von Bayern am 23. April 1849 gegenüber der Frankfurter Nationalversammlung, dass er deren Reichsverfassung nicht anerkenne. Die Annahme der Reichsverfassung durch den bayerischen Landtag, der sich mit seiner demokratischen Mehrheit bereits dafür ausgesprochen hatte, verhinderte der König dadurch, dass er ihn nicht mehr einberief und mehrfach vertagte.
Gegen diese Vorgänge erhob sich in der Pfalz energischer Widerstand, in dem sich demokratische und nationaldeutsche Gesinnungen mit Ressentiments gegen die seit 1814 bestehende bayerische Herrschaft verbanden. Am 2. Mai 1849 kamen in Kaiserslautern auf dem Platz vor der Stiftskirche etwa 12.000 Personen zu einer Vollversammlung aller demokratischen Vereine in der Pfalz zusammen, in deren Verlauf sich ein "Landesverteidigungsausschuss für die Pfalz" konstituierte, bestehend aus vier Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung und sechs Abgeordneten des bayerischen Landtags. Der von der Provisorischen Zentralgewalt für Deutschland in die Pfalz entsandte Bevollmächtigte Bernhard Eisenstuck bestätigte "entgegen seinem offiziellen Auftrag" diesen Ausschuss am 7. Mai als "Landesausschuss für Verteidigung und Durchführung der deutschen Reichsverfassung".
Das vorliegende Schreiben des in Kaiserslautern amtierenden bayerischen Landkommissärs Franz von Prädl an die königlich bayerische Regierung in Speyer verdeutlicht das Dilemma, in das die bayerischen Beamten in der Pfalz durch diese Vorgänge geraten waren. Hatte der Landesverteidigungsausschuss zunächst noch seine Loyalität zum Königreich Bayern von einer Anerkennung der Reichsverfassung abhängig gemacht, so kam es schon wenige Tage später, am 17. Mai, auf einer Versammlung pfälzischer Kantonaldelegierter in Kaiserslautern zur Wahl einer fünfköpfigen provisorischen Regierung für die Pfalz, die an die Stelle des Landesverteidigungsausschusses trat, sich vom Königreich Bayern lossagte und die Pfalz für "reichsunmittelbar" erklärte.
Die provisorische Regierung stellte eine Armee auf, der es jedoch nicht gelang, die Festungen Landau und Germersheim (wohin sich die bayerische Regierung aus Speyer zurückgezogen hatte) in ihre Hand zu bekommen. Als am 13. Juni die von König Maximilian II. zu Hilfe gerufene preußische Armee in die Pfalz einmarschierte, stieß sie nur an wenigen Stellen auf nennenswerten Widerstand. Bereits am 14. Juni floh die provisorische Regierung aus Kaiserslautern und zog sich nach einem erfolglosen Gefecht gegen die Preußen bei Rinnthal am 19. Juni mit dem Rest ihrer Truppen über die Rheinbrücke bei Knielingen nach Baden zurück, wo sie zusammen mit den badischen Aufständischen zwei Tage später in der Schlacht bei Waghäusel eine vollständige Niederlage gegen die preußische Armee erlitt. Die deutsche Revolution von 1848/49 war damit endgültig gescheitert, die politischen Verhältnisse von vor 1848 wurden wiederhergestellt.

Quelle: Schulbestimmungen der königlich-bayerischen Regierung der Rheinpfalz, undatiert (zwischen 1816 und 1857) (LA Sp Best. Y Nr. 4422)

Text:
"Schul-Gesetze.
1. Alle Schul-Kinder sollen genau zur bestimmten Zeit in der Schule erscheinen, und sich sogleich auf ihren angewiesenen Platz verfügen. Wer zu spät kommt, oder gar ausbleibt, soll sich bei dem Lehrer entschuldigen, warum er nicht früher, oder gar nicht gekommen sey.
2. Jedes Kind soll gewaschen und gekämmt, ordentlich und ehrbar gekleidet erscheinen, und alles, was es n der Schule nöthig hat, mitbringen. Dieses, namentlich Bücher und Schriften, sind rein und sauber zu halten, auch dürfen die Schul-Geräthe oder andere Theile des Hauses auf keine Weise beschmutzt oder beschädigt werden.
3. Die Schule wird allezeit mit einem kurzen herzlichen Gebete oder Gesange angefangen und geschlossen. Wer zu spät kommt, soll die Andacht nicht stören, sondern erst wenn sie vorüber ist, eintreten, und im Stillen sein Gebet verrichten.
4. In der Schule soll alles still und ruhig seyn. Wer schwätzt, schäkert oder andere stört, muß aus der Bank heraus, und an einen besonderen Platz stehen. Gleiches gilt auch in der Kirche, wo die Gemüther gesammmelt, und die Gedanken allein auf den Höchsten gerichtet seyn sollen.
5. Nie soll mehr als ein Kind hinaus gehen, und dieses soll schnell wieder kommen; daß aber auch solches so selten als möglich geschehe, sollen die Kinder vor Anfang der Schule sorgen.
6. Zum Essen ist während der Schule keine Zeit.
7. Ein Kind, welches aufgerufen wird, hat stehend seine Aufgabe zu machen, oder geräuschlos zur Tafel heraus zu kommen.
8. Wenn ein Schul-Oberer oder ein Jugend-Freund zum Besuche in die Schule kommt, und dieselbe wieder verläßt, sollen alle Kinder sich still erheben, und iede andere Art von lärmender Begrüßung hat überall zu unterbleiben. Aber auch außer der Schule sollen siegegen Jedermann, besonders gegen ihre ersten Wohlthäter, Eltern und Lehrer, höflich, freundlich und dienstfertig, und selbst unter sich gefällig und liebreich seyn.
9. Ein störrisches und zänkisches Wesen, Schimpf- und Scheltworte zeigen ein rohes -, boshafte Angebertei und Schadenfreude [ein] niederträchtiges Gemüth. Nie soll ein Kind sich solcher Aeßerungen schuldig machen. [...].
[...]
14. Auf dem Wege vor und nach der Schule haben sich die Kinder anständig und sittsam zu betragen, sich somit alles wilden Tobens, Schlagens und Raufens oder sonstigen Muthwillens zu enthalten.
15. Unter allem Muthwillen ist der gröbste, alte oder gebrachliche Leute zu necken, Thiere zu quälen u. s. w. Ein solcher Muthwille wird hart bestraft.
16. Die härteste Strafe würde denjenigen treffen, welcher Andere zum Bösen verleitet, oder durch eine sehr schändliche Handlung, durch Schamlosigkeit oder auffallende Bosheit die Jugend oder die Erwachsenen ärgert.
[...]"

Kommentar[2]:
Die Bestimmungen verbinden Zeittypisches und Zeitloses. Zeittypisch ist der autoritäre Charakter, welcher sich in den Anweisungen zum Verhalten der Schülerinnen und Schüler gegenüber dem Lehrpersonal und den Eltern und in der religiösen Erziehung widerspiegelt. Zeitlos wiederum - bzw. von ungebrochener Aktualität - sind die Anweisungen, welche dem friedlichen und fairen Umgang der Schülerinnen und Schüler sowohl untereinander als auch gegenüber ihren sonstigen Mitmenschen dienen.
Unterlagen dieser Art sind in den staatlichen Archiven häufig zu finden, weil die Disziplinierung und Kontrolle des Schulalltags ein wichtiges Anliegen der damaligen Behörden war. Dementsprechend wurden immer wieder Erlasse dazu herausgegeben, so z. B. 1833 von der bayerischen Regierung des Rheinkreises in Speyer eine Anweisung "die Theilnahme der schulpflichtigen Jugend an den öffentlichen Tanzbelustigungen betreffend", worin die Eltern eindringlich aufgefordert wurden, ihre Kinder "von allen öffentlichen Lustbarkeiten dieser Art entfernt zu halten"[3]. Die örtlichen Polizeibehörden erhielten Weisung, darauf zu achten und gegenteiliges Verhalten zu ahnden.

[1] Auslassungen in eckigen Klammern. Die Original-Zeichensetzung wurde beibehalten.
[2] Zur weiteren Vertiefung: Landesarchiv Speyer, Bestand H 35 (Akten des königlichen Bezirksamtes Homburg), Nr. 120: Schulen 1816-1880.
[3] Ebenda, Bl. 25.

Quelle: Eingabe der Witwe Georg Lutz an das Polizeiamt der Stadt Speyer, 1913 (LA Sp Best. H 77 Nr. 7)

Text:
"Speier, den 30. I. 13
An das sehr verehrl. Bürgermeisteramt Speier
Betreffs: Gesuch um Anbringung eines Kastens am Haus, in welchem die Fremdenzettel von der Polizei abgeholt werden können.
Durch polizeiliche Verordnung bin ich verpflichtet, jeden Abend den Fremdenzettel bei der Polizei abzuliefern. Wenn Abends spät, wie es oft der Fall ist, noch Fremde ankommen, ist es mir sehr schwer, meine Pflicht zu erfüllen. Meine Wirtschaft liegt außerhalb der Stadt u. ich bin alleinstehende Witwe u. verfüge nur über weibliches Personal u. habe niemand, den ich so spät in die Stadt schicken könnte. Ich möchte daher einen Kasten an meinem Hause anbringen, wo ich den Zettel jeden Abend einwerfen könnte u. da die Polizei // doch ihren Patrouliengang vorbei macht, so könnte denselben der Dienst tuende Schutzmann mitnehmen.
In der Hoffnung, daß mir diese Bitte gewährt wird, zeichnet mit aller Hochachtung
Frau Georg Lutz, Wtw. Bahnhof-Restaurant.

[Vermerk]:
I. Genehmigt mit Rücksicht darauf, daß die Gesuchstellerin als alleinstehende Frauensperson mit nur weiblicher Unterstützung tatsächlich [gestrichen: "nur"?] unter sehr mißlichen Umständen zu wirtschaften hat, anderseits die Patrouille täglich an ihrem Hause vorbeikommt und deshalb ohne Störungen des Dienstbetriebs die Auszüge mitnehmen kann.
II. Mannschaft zur Eröffnung der Genehmigung an die Gesuchstellerin. Voraussetzung  ist, daß im Übrigen die Vorschriften sorgfältig beachtet werden. (Bemerken möchte ich hirzu, daß nicht etwa die Auszuge erst in der Wirtschaft geholt werden dürfen, da ich jede Gelegenheit zu Regalierungen [= Bewirtungen] u. dgl. peinlichst im Interesse des Ansehens der Schutzmannschaft vermieden wissen möchte.)
III. Mit Eröffnungsnachweis an mich zurück bis 25. Febr. 13
Speyer, den 17ten Februar 1913
Der Polizeikommissär.

Kenntniß erhalten
Speyer, 19. Februar 1913
Frau Georg Lutz, Witwe

Kommentar:
Die Eingabe der Gastwirtin spiegelt die Nöte und Sorgen unternehmerisch tätiger Frauen und ihrer weiblichen Angestellten zu einer Zeit, als dieses Gasthaus noch außerhalb des dicht bebauten Raumes der Stadt Speyer lag und eine durchgehende Beleuchtung der Verbindungsstraße noch fehlte. Zugleich wird deutlich, welchen Wert die Polizeibehörde ihrerseits auf die regelmäßige Übernahme der Meldezettel legte, um den Aufenthalt von Besuchern bzw. Ortsfremden in der Stadt kontrollieren zu können.
Die positive Reaktion der Polizeibehörde auf den Antrag der Gastwirtin macht deutlich, dass auch im wilhelminischen Obrigkeitsstaat die Sorgen der Bürger nicht ignoriert wurden. Zugleich wird anhand der Bedingungen, welche die Polizeibehörde für ihre Zustimmung zu der von der Gastwirtin vorgeschlagenen Verfahrensweise stellt, deutlich, dass man auf jeden Fall eine Einflussnahme der Gäste der Gastwirtschaft auf den Vollzug des polizeilichen Auftrags vermeiden wollte - also das, was heute unter dem Stichwort "Kampf gegen Korruption" noch immer ein Thema ist.

Quellen: Werbung der SS (Totenkopfverbände und Waffen-SS) (LA Sp Best. H 38 Nr. 1441 und LHA Ko Best. 712 Nr. 5214)

Kommentar:
Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beruhte auf der Entscheidung Hitlers zum Überfall auf Polen am Morgen des 1. September 1939. Frankreich und England, Garantiemächte des Versailler Vertrages für die Existenz Polens, verlangten ultimativ den Rückzug der deutschen Truppen bis zum 3. September, worauf Hitler natürlich nicht einging. Mit Ablauf des Ultimatums am 3. September 1939 befanden sich somit auch diese beiden Länder im Krieg mit Deutschland.
Der Krieg prägte von Anfang an den Alltag, auch wenn sich das Kriegsgeschehen noch lange Zeit außerhalb der Grenzen des Reiches abspielte. Die Umstellung des zivilen Lebens auf den Krieg war aber bereits vor dem 1. September in Vorbereitung (z. B. durch die Requisition von Pferden aus der Landwirtschaft); mit Kriegsbeginn wurde dies noch spürbarer, insbesondere in den zu Frankreich gelegenen Regionen: Musterung von Hunden für Kriegs- und Polizeieinsatz, Räumung eines breiten Grenzstreifens ("Rote Zone") im Hinblick auf hier erwartete Kämpfe mit französischen Truppen, Freimachung öffentlicher Gebäude, darunter Schulen, zur Aufnahme von Wehrmachtsverwaltung, Versorgungseinheiten, Feldlazaretten, Einrichtung von Luftschutzräumen, Einziehung auch von Lehrern zur Wehrmacht, Heranziehung von Schülern zu Erntearbeiten auch nach Schulbeginn im September.
Die ebenfalls im September 1939 einsetzende Werbung für den Eintritt in die SS zielte auf den Aufbau einer unter dem Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler stehenden Parallelarmee zur Wehrmacht durch Verschmelzung der schon bestehenden "Totenkopfverbände" (SS-TV) und "Verfügungstruppe" (SS-VT) zur "Waffen-SS" (so ab Dezember 1939). Die Wurzeln der Verfügungstruppe lagen in einer SS-Hilfspolizei, deren Aufstellung gleich nach der Machtergreifung begonnen hatte, weil Hitler einen Putschversuch des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes befürchtete. 1935 wurden aus diesen Verbänden die "Totenkopfeinheiten" gebildet, die sich dann als Wachmannschaften in den Konzentrationslagern unrühmlich hervortaten.
Wie sehr sich Himmlers Bemühen um Ausbau dieser Einheiten zu eigenen Kampftruppen seit Kriegsbeginn auswirkte, zeigt die Zunahme der Personalstärke der Waffen-SS bzw. ihrer Vorgängereinheiten von rund 17.000 Ende 1937 auf über 90.000 zum Zeitpunkt des Frankreich-Feldzuges 1940.
Zu diesem Zeitpunkt beruhte die Rekrutierung der SS-Truppen noch auf Freiwilligkeit (dies änderte sich ab 1943). Entsprechend fanatisch und gewalttätig war die Einstellung der Soldaten. Schon beim Polenfeldzug fielen die SS-Einheiten durch Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung auf. Im Frankreichfeldzug erschossen Soldaten des SS-Infanterieregiments "Leibstandarte Adolf Hitler" nach der Eroberung einer Ortschaft mindestens 45 gefangene britische Soldaten, am 27. Mai erschossen Einheiten der SS-Totenkopf-Division 99 britische Soldaten, die sich gerade ergeben hatten (Massaker von Le Paradis).
Die hier gezeigten Dokumente reflektieren das Werben der SS um Freiwillige, mit deren Hilfe Himmlers Pläne zum Aufbau einer eigenen Militärmacht im gerade begonnenen Krieg umgesetzt werden sollten. Bemerkenswert an den Unterlagen, welche das Landesarchiv Speyer aus dem damaligen Bezirksamt Kusel verwahrt, sind die Rückmeldungen der Bürgermeister zu den ersten Resultaten der Werbeaktion: alle Bürgermeister meldeten "Fehlanzeige", d. h., niemand in ihren Gemeinden hatte sich freiwillig gemeldet.

Quelle: Die Sonnenwendfeiern im "Dritten Reich" (LHA Ko Best. 662,003 Nr. 180)
Dokument 1: Zeitungsbericht über die Feier der Sommersonnenwende 1935 in Trier
Dokument 2: Feuerrede, Auszug aus einem Rundschreiben der NSDAP-Gau-Propagandaleitung  vom 11.6.1937 zur Gestaltung der Sonnenwendfeiern
Dokument 3: Programm zur Durchführung einer Sonnwendfeier in Issel/Mosel 1937

Kommentar:
Als totalitäres System, das den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen suchte, stand der Nationalsozialismus naturgemäß in Gegnerschaft zu den christlichen Konfessionen. Um die Lücke zu füllen, welche die zurückgedrängten Kirchen in der Gesellschaft hinterließen, wurde die national­sozialistische Weltanschauung zu einer politischen Ersatzreligion überhöht. An die Stelle des christlichen Erlösers trat der Führer Adolf Hitler als vermeintlicher Retter des deutschen Volks. Eine wichtige Rolle bei dieser Sakralisierung von Politik spielten Rituale und Feste. Ein solches Fest war die Sonnenwendfeier.
In vielen Kulturen vorgeschichtlicher Zeit war die Feier der Sommersonnenwende, dem längsten Tag des Jahres, bekannt. Feuer spielte dabei als Symbol des Lichts eine wichtige Rolle. Nach der Christianisierung Mitteleuropas wurde der Tag der Sommersonnenwende mit dem Gedenktag für Johannes den Täufer am 24. Juni in Verbindung gebracht. Dieser Tag, der häufig ebenfalls mit Johannisfeuern gefeiert wird, hält die Erinnerung an die ursprünglich heidnischen Feierlichkeiten wach. Gerade im skandinavischen Raum ist Midsommar oder Sankt-Hans auch heute noch ein wichtiger Festtag.
In Deutschland reaktivierte die Jugendbewegung der 1920er Jahre die Sonnenwendfeier und entzündete an weithin sichtbaren Plätzen große Feuer. Diese Feste wurden nach 1933 zunächst von der HJ, später auch von anderen Gliederungen der NSDAP übernommen. Die Feier der Sonnenwende am 23. Juni  fand einen festen Platz im nationalsozialistischen Festkalender. Eine führende Rolle spielte dabei die SS, deren Führer Heinrich Himmler besonderen Wert auf die Pflege vermeintlich germanischer Bräuche legte. Seit 1937 fand die zentrale Sonnenwendfeier im Berliner Olympiastadion statt.
Der Ablauf einer solchen Feier war weitgehend standardisiert. Sie begann mit einem Fanfarenruf, der feierlichen Entzündung des Feuers gefolgt von Ansprachen, Weihesprüchen und Liedern. Den Höhepunkt bildete das Totengedenken, begleitet vom Einwerfen von Kränzen in das Feuer. Die Feier endete mit einem "Sieg-Heil" für den Führer und dem Absingen von Nationalhymne und Horst-Wessel-Lied. Die Propagandaleitung der NSDAP verfasste für die Feiern Muster­ablaufpläne, in denen sogar die Texte der Ansprachen vorgegeben waren.
Die Nationalsozialisten deuteten die Sonnenwendfeier in eine Bekenntnisfeier für Volk und Führer um.
Auffällig ist die Entlehnung des Vokabulars aus dem Bereich der Religion. Begriffe wie "Bekenntnis", "heilig",  "Licht des Glaubens" etc. in den Reden und Schriften zur Sonnenwendfeier rückten diese in die Nähe christlicher Feierlichkeiten. Unübersehbar und durchaus beabsichtigt sind die Parallelen in Form und Funktion zwischen ideologischem und christlichem Kult. Die Ideologie des Nationalsozialismus wird dadurch in einen religionsähnlichen Rang erhoben.

Literatur: Klaus Vondung: Magie und Manipulation. Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus, Göttingen 1971.

Quelle: Bericht des Finanzamtes Bad Dürkheim an den Oberfinanzpräsidenten der Westmark in Saarbrücken zum Stand der Verwertung eines enteigneten Weingutes (LHA Ko Best. 922 Nr. 7792, Bl. 83)

Das Schreiben veranschaulicht exemplarisch das Tauziehen verschiedener Interessenten um ein den jüdischen Eigentümern weggenommenes Objekt: Einsatz von Beziehungen (Partei), Intervention an höchster Stelle (Reichsfinanzministerium), Behördenkonkurrenz (Reichsbahn), eine Vielzahl privater Interessenten. Alles dies war zugleich Gegenstand öffentlicher Diskussion in Bad Dürkheim. "Anrüchig" erschien dem Berichterstatter nicht die Enteignung an sich, sondern der in der Öffentlichkeit kursierende Verdacht der Bevorzugung eines bestimmten Interessenten.

Quelle: Verordnung Nr. 57 vom 30.8.1946 (LHA Ko Best. 700,155 Nr. 8)

Am 30. August 1946 wurde mit der Verordnung Nr. 57 ein rhein-pfälzisches Land gegründet. Die Bildung eines neuen Landes im nördlichen Teil der Zone war ein einseitiger Akt der französischen Besatzungsmacht. Der Oberpräsident der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau, Dr. Wilhelm Boden,  hatte die Verordnung persönlich von dem französischen Gouverneur Hettier de Boislambert am frühen Abend des 30. August 1946 um 6 Uhr erhalten. Auf unscheinbarem dünnen Durchschlagpapier geschrieben, werden in sechs knappen Artikeln alle Modalitäten geregelt. Das neue Land sollte aus den Regierungspräsidien Koblenz, Trier, Rheinhessen und Pfalz bestehen. Als Hauptstadt wurde Mainz vorgesehen. Für die Übergangszeit hatten die beiden Oberpräsidien Rheinland-Hessen-Nassau und Hessen-Pfalz eine "gemischte Kommission" zu bilden, die die Landesverwaltung übernehmen sollte. Ihre Aufgabe war vor allem die Erarbeitung eines Verfassungsentwurfs. Anschließend wurde eine verfassunggebende beratende Landesversammlung gewählt und eine vorläufige Landesregierung gebildet. Die Verfassung sollte durch Volksentscheid angenommen und gebilligt werden.
Hunger, Not und Wohnungsmangel prägte zu dieser Zeit den Alltag der Menschen, die für die Gründung des neuen Landes nur sehr wenig Interesse aufbrachten. Aber auch in der Politik waren die Reaktionen nur sehr zurückhaltend. Mit offener Skepsis stand man dem "Land aus der Retorte" gegenüber. Kaum jemand hielt es für möglich, dass dieses künstliche Gebilde einen dauerhaften Bestand haben könnte. Historisch gewachsene  Einheiten wurden durch dieses Bundesland auseinandergerissen. Es fehlte nicht nur an einem Zusammengehörigkeitsgefühl, es fehlte an Industrie, Wirtschaftskraft und Infrastruktur. Rheinland-Pfalz war ein Land, das nicht vom "Griffel Gottes" gezeichnet war, wie es der Rheinische Merkur formulierte. Aber trotz dieser zahlreichen und sehr einheitlichen Unkenrufe erwies sich die Verordnung Nr. 57 als Auftrakt für ein absolutes Erfolgsmodell. Mehr als 75 Jahre nach seiner Gründung hat niemand mehr Zweifel an dem Bestand des Landes Rheinland-Pfalz. Die Bevölkerung identifiziert sich mit diesem Bundesland und hat es vollständig akzeptiert.