Landesgeschichte konkret
Um die einmalige Vielfalt, historische Bedeutung und Schönheit der Quellenbestände der Landesarchive Koblenz und Speyer für jeden Interessierten zeigen zu können, stellen wir Ihnen hier interessante Archivalien aus den unterschiedlichen thematischen und regionalen Bereichen sowie historischen Zusammenhängen vor.
Bericht aus der Oberdorfschule Koblenz-Metternich über die Schulspeisung
Seit 1872 war in dem zu Preußen gehörenden ehemaligen Regierungsbezirk Koblenz die Führung einer Chronik für jede Schule vorgeschrieben. Entsprechend den persönlichen Interessen des jeweiligen Lehrers sind diese Chroniken häufig eine Mischung aus Berichten über den Schulalltag und mehr oder weniger ausführlichen Angaben zur Ortsgeschichte. Die Chroniken liefern damit nicht nur ein sehr lebendiges Bild von dem damaligen Schulbetrieb, sondern auch von den Ereignissen in der Ortsgemeinde, die normalerweise oft nicht überliefert worden wären.
Die Chroniken der Oberdorfschule Metternich beginnen mit den Planungen für einen Neubau der Schule im Jahre 1877. Neben ausführlichen Angaben über die Geschichte und Entwicklung des Ortes finden sich hier detaillierte Angabe über Schülerzahlen, Unterrichtsinhalte, Aufteilungen der Klassen, Ausflugsbeschreibungen, Krankheiten der Schüler und Lehrer, Angaben über Ferienzeiten usw.
Der Bericht über die Lehrerkonferenz vom 6. Mai 1949 befasst sich vor allem mit der Organisation der Schulspeisung, die von Montag bis Freitag für jeden Schüler aus den Lebensmittelbeständen der amerikanischen Militär-Regierung ausgegeben wurde. Lebensmittelspenden aus Irland, der Schweiz und den USA kommen vor allem den hungernden Kindern im Nachkriegsdeutschland als "Schulspeisung" zugute. Alle schulpflichtigen Kinder von 6 bis 18 Jahren waren berechtigt an der täglichen Schulspeisung teilzunehmen. Im Krankheitsfall durfte ein Familienmitglied die Ration in Empfang nehmen. Ein Gefäß und ein Löffel waren selber mitzubringen.
Quelle: Chronik Oberdorfschule Metternich (LHA Ko Best. 716 Nr. 274)
Historische Fotografien von Trier und Umgebung
Im Jahr 2009 konnte das Landeshauptarchiv Koblenz von einer Nachfahrin des ehemaligen Regierungspräsidenten von Trier, Arthur von Wolff, 41 historische Fotografien erwerben, die aus Anlass seiner Versetzung im Jahr 1881 zusammengestellt und diesem als Abschiedsgeschenk überreicht worden waren.
Arthur Paul Ferdinand von Wolff wurde am 7. Juni 1828 in Berlin geboren. Stationen seiner beruflichen Laufbahn in Preußen ab 1847 sind das Kammergericht Berlin, die Regierung Potsdam, das preußische Innenministerium sowie die Regierung Frankfurt/Oder. Am 15.5.1872 erfolgte dann seine Ernennung zum Regierungspräsidenten von Trier (mit Wirkung vom 1.7.), wo er neun Jahre blieb, bis er dann am 5.7.1881 zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Sachsen berufen wurde und somit zum 9.7. ausschied. Zuletzt (ab 1890) war er Chefpräsident der Preußischen Oberrechnungskammer bzw. Präsident des Rechnungshofes des Deutschen Reiches zu Potsdam, wo er am 13. Februar 1898 im Dienst verstarb.
Bei den Bildern handelt es sich um 15 Ansichten aus Trier selbst sowie 26 Ansichten von Städten und Ortschaften des damaligen Regierungsbezirkes Trier (Im Einzelnen sind das: Auw, Bernkastel, Cochem, Daun, Gerolstein, Igel, (Ruine) Kasselburg, Kastel, Orscholz, Manderscheid, Merzig, Mettlach, Mürlenbach, Neunkirchen, Ottweiler, Prüm, Burg Ramstein, Saarbrücken, Saarburg, Schalkenmehrener Maar, Ruine Veldenz, Wallerfangen, Wilsecker Schlucht), wahrscheinlich alle aufgenommen in den Jahren kurz vor der Überreichung. Sie stammen wohl von dem Trierer Fotografen Peter Krapp (geboren in Trier am 6. September 1827, gestorben ebenda am 6. Dezember 1900, mit Berufsbezeichnung "Photograph" erwähnt in Adressbüchern der Stadt aus den Jahren zwischen 1861 und 1896).
Die Fotografien in unterschiedlichen Größen (vom etwa DIN A5-Format bis zum annähernd DIN A3-Format) sind in Nachahmung eines Bilderrahmens jeweils auf einem Kartonbogen (Größe ca. DIN A2-Format) angebracht. Die großformatigen Kartonbögen befinden sich in einer zeitgenössischen Kassette aus mit braunem Leder bezogenem Holz, mit Goldintarsien und Messingbeschlägen sowie zwei Messingschließen.
Ergänzt werden die Bilder durch ein Widmungsblatt mit dem darauf lautenden Text "Ihrem scheidenden Praesidenten Herrn von Wolff. Das Regierungs-Collegium und die Landräthe des Regierungsbezirks Trier. 1881." sowie einem weiteren Bogen mit den Namen der insgesamt 38 unterzeichnenden Personen.
Das Archiv freut sich sehr über diese sowohl inhaltliche als auch optische Bereicherung seiner Überlieferung, die zukünftig unter der Signatur Best. 710Ü Nr. 250 aufbewahrt wird.
Literatur:
Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816 - 1945 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 69), Düsseldorf 1994, S. 825
Bernhard Simon: Trier-Fotografien von Peter Krapp aus der Zeit um 1870; In: Neues Trierisches Jahrbuch, 40. Band, Trier 2000, S. 45
Die Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts nach Brasilien
"Die Sucht nach Brasilien auszuwandern" entwickelte sich seit den 20ziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu einer Massenbewegung, von der besonders wirtschaftlich benachteiligte Regionen wie der Hunsrück betroffen waren. Seit der Lösung Brasiliens aus der Abhängigkeit Portugals und der Ausrufung zum Kaiserreich im Jahre 1824 wurde in dem südamerikanischen Land eine gezielte Einwanderungs- und Ansiedelungspolitik betrieben. Das riesige menschenarme Land mit dem milden Klima der südlichen Provinzen lockte auch aus dem Hunsrück so viele Menschen, dass die Behörden Ende der 20er Jahre begannen, von einer Massenbewegung zu sprechen. In mehreren Wellen setzte sich die Auswanderung nach Brasilien bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fort.
Das Bedürfnis vieler Menschen, die vertraute Heimat zu verlassen, um in einem fremden Land eine neue Existenz und eine bessere Zukunft aufzubauen, hatte viele Gründe. Die Sehnsucht nach bereits ausgewanderten Familienmitgliedern und Abenteuerlust sind nur einige Beispiele. Für die Auswanderung aus dem Hunsrück standen wie in anderen strukturell benachteiligten Regionen vor allem wirtschaftliche Gründe für den Schritt in das Unbekannte im Vordergrund. Wie es in der abgebildeten Quelle zum Ausdruck kommt, sahen viele Gemeinden die Auswanderung auch als willkommene Möglichkeit, um sich der "Dorfarmen" zu entledigen. Als Anreiz für eine Auswanderung wurden die Kosten für die Überfahrt der Betroffenen übernommen auch wenn dies zu einer erheblichen Belastung der Gemeinde führte.
Der Gemeinderat von Alterkülz stellte im Jahr 1852 für die Auswanderung von insgesamt drei Familien eine Unterstützung von 500 Talern aus der Gemeindekasse zur Verfügung. Die preußische Regierung befürwortete und genehmigte das Vorgehen der Gemeinde: "Die Einwohner von Alterkülz sind überhaupt sehr brav und fleißig und versuchen selbst mit großen Opfern diese armen und im üblen Ruf stehenden Familien los zu werden was ihnen nicht zu verdenken ist."
Quelle: Auswanderungen aus den Gemeinden: Alterkülz (LHA Ko Best. 655,014 Nr. 241, S. 23)
Quelle: Nachrichten über verdächtige oder gefährliche Individuen (LA Sp H 1 Nr. 1152)
Text:
„Rheinzabern den 6ten Februar 1839
Hochwohlgeborener Herr Hofrath! Hochverehrter Herr Direktor!
Es verbreitet sich das Gerücht, daß auf dem Narrenprogramm der Stadt Kaiserslautern oben an stehe, daß der Zug an den kommenden Fastnachtstagen damit eröffnet werden soll, daß Jägerpursche[n] den Schullehrern die Backenbärte abrasieren. Ich erachte diese ergebenste Anzeige für eine besondere Pflicht, damit entweder präventive Maßregeln bei Zeiten ergriffen, oder die Frevler zur Strafe gezogen werden können; und bitte diese meine Besorgniß daß königl[iche] Regierungsmaßregeln nicht verhöhnt, die verehrungswürdigsten Beamten der Pfalz dem Spotte nicht preißgegeben und ein Theil der königl[ichen] Regierung untergebenen Schullehrer nicht zum Ungehorsam verleitet, und zu ihrem eigenen Nachtheile zu strafbarem Widerstande aufgereitzt werden mögen, nicht übel aufnehmen und zugleich die Bitte den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung genehmigen zu wollen, womit die Ehre hat zu harren
Euer hochwohlgeboren treu ergebenster
Magel Pf[arre]r“
Kommentar:
Beschwerden von Pfarrern aller Konfessionen gegen Vergnügungen bei Festen und Feiern, insbesondere im Rahmen von Karnevalsbelustigungen, waren in der frühen Neuzeit und auch noch im 19. Jahrhundert weitverbreitet. Auch das Verhältnis der als Schulinspektoren mit der Schulaufsicht beauftragten Pfarrer zu den Lehrern war traditionell eher spannungsvoll. Der von Pfarrer Magel hier bei den Behörden angezeigte und von diesen sehr ernst genommene "Spaß" könnte darüber hinaus noch einen vormärzlich-politischen Hintergrund haben, war doch die Lehrerschaft mehr als jede andere Instanz des Obrigkeitsstaates dazu berufen, aus Kindern gehorsame Untertanen zu machen. Wenn Pfarrer Magel in seiner Anzeige davor warnte, die Lehrer könnten durch das Ansinnen der Jägerburschen zum "Ungehorsam" verleitet werden, so lässt dies darauf schließen, dass die Vertreter des Staates zumindest in diesem Kontext ihre erzieherische Aufgabe nicht so ernst nahmen wie von ihnen erwartet wurde und dass sie damit als Pfälzer vielleicht auch eine innere Distanz zum bayerischen Staat zum Ausdruck bringen wollten. Dazu bot sich in der von Zensur und politischer Verfolgung geprägten Vormärzzeit gerade der Karneval in besonderer Weise an.
Laut Auskunft des Bistumsarchivs Speyer war Bernhard Magel (1795-1863) von 1827 bis 1839 katholischer Pfarrer von Rheinzabern, anschließend Pfarrer in Neustadt/W. Im Jahre 1843 brachte er dort eine ähnliche Beschwerde gegen das lokale Fastnachtstreiben an.
Vor 200 Jahren wurde der Philosoph, Nationalökonom und Journalist am 5. Mai 1818 in Trier geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Philosophie in Bonn und Berlin und der Promotion an der Universität Jena wird Marx im Jahr 1842 Redakteur und ab Oktober Chefredakteur der liberalen "Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe" in Köln, die im März 1843 verboten wird und ihr Erscheinen einstellen muss. Marx ging nach Paris und gab dort die Zeitschrift "Deutsch Französische Jahrbücher" heraus.
Seine publizistische Tätigkeit veranlasst 1845 die preußische Regierung ihn aus Paris ausweisen zu lassen, woraufhin Marx seine preußische Staatsangehörigkeit aufgibt. Im gleichen Jahr erfolgte der Umzug nach Brüssel. Im Februar 1848 erscheint in London das von Karl Marx und Friedrich Engels verfasste "Kommunistische Manifest der kommunistischen Partei". Während der Revolution 1848/49 kehrte Marx nach Deutschland zurück und gab in Köln die "Neue Rheinische Zeitung heraus. Am 16. Mai 1849 wurde er aus Deutschland ausgewiesen. Seit dem 24. August 1849 lebte er mit seiner Familie in London.
Marx wurde mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu einem der einflussreichsten Führer der neuen Sozialismusbewegung. Im Jahr 1859 wird die "Kritik der politischen Ökonomie" veröffentlicht. 1867 erscheint der erste Band von Marx Hauptwerk "Das Kapital". Zwei weitere Bände erscheinen nach seinem Tod. Mit der sich rasch entwickelnden deutschen Arbeiterbewegung steht Marx in engem Kontakt und beeinflusst durch seine publizistische und seine theoretischen Arbeiten die Sozialismusbewegung. Am 14. März 1883 starb Karl Marx in London.
Auch in den Akten des Landeshauptarchivs Koblenz hat das Leben und Werk von Karl Marx seine Spuren hinterlassen. So finden sich in LHA Ko Bestand 587 Nr. 30 der Ehevertrag zwischen Karl Marx und seiner Jugendliebe Jenny von Westphalen vom 12. Juni 1843 und in LHA Ko Bestand 403, Nr. 17944, S. 584 in Abschrift ein Steckbrief, da Marx durch seine publizistische Tätigkeit die Aufmerksamkeit und den Unmut der preußischen Regierung auf sich zog, die 1845 seine Ausweisung aus Paris veranlasste.
Quelle: Befehl von Nicolas Hentz, Kommissar des revolutionären Nationalkonvents der französischen Republik zur Niederbrennung von Kusel (Pfalz) vom 26.7.1794 (LA Sp Best. 59 Nr. 319/02, S. 580)
I. Beschreibung:
Gedruckt, zweisprachig, 1 Blatt. Ergänzungen des Bearbeiters in eckigen Klammern
II. Text (in Originalschreibweise)
Im Namen des französischen Volks!
Pirmasens, den 7tn Thermidor, im zweiten Jahr [=26. Juli 1794] der ein- und unzertheilbaren Franken-Republik.
Da der zu den Rhein- und Mosel-Armeen gesendete Volks-Repräsentant erfahren hat, daß es in der Stadt Cusel im Trierischen Landes falsche Aßignaten-Fabrikanten gäbe, die von den Einwohnern geduldet und sogar geschüzt werden; und daß aus dieser Stadt jene so äusserst nachtheilige Versendung von falschen Asignaten in das Innere der Republik herkäme; nachden von Ihm der kommandirende General von der Mosel-Armee zu Rathe gezogen worden ist, und dieser versichert hat, daß die Existenz dieser Stadt den künftigen Kriegs-Operationen der Armee der Republik von keinem fernern Nuzen sein würde; hat [der Volks-Repräsentant] folgendes beschlossen:
Da die Stadt Cusel bei jeder Gelegenheit sich als Feindin der Republik und als zugethane Freundin der Feinde derselben und namentlich der Preußen gezeiget hat, so soll dieselbe verbrennet werden.
Der komandirende General der Mosel-Armee erhält hiermit den Befehl, diesen Schluß so bald möglich in Erfüllung zu sezen, und alle dazu gehörige Anstalten auf das schleunigste zu treffen.
unterschrieben Hentz
III. Kommentar
Der Befehl zur Vernichtung einer ganzen Stadt erfolgte vor dem Hintergrund des sog. Revolutionskrieges, der 1792 als Folge des Einmarsches preußischer und österreichischer Truppen (Pillnitzer Deklaration von 1791) in das revolutionäre Frankreich ausgebrochen war und auf die Wiederherstellung der französischen Monarchie als Teil der alten Ordnung des feudalen Europas zielte. Nach dem erfolglosen Vormarsch der Truppen der österreichisch-preußischen Koalition (Kanonade von Valmy, 20.9.1792), setzte die französische Revolutionsarmee zur Gegenoffensive an und eroberte bis 1795 das gesamte linksrheinische Rheinland.
Ein weiteres Element dieser Situation war der Vorwurf, die Stadt Kusel unterstütze die Fälschung von "Assignaten", die damals als offizielle Ersatzwährung im revolutionären Frankreich fungierten, aber zunehmend an Wert verloren (Inflation).
Die über die normalen Kriegshandlungen und Zerstörungen hinausgehende vollständige Vernichtung einer Stadt hat im Deutschen Reich großes Aufsehen erregt und zu zahlreichen Spenden geführt. Von den Gegnern der französischen Revolution wurde das Ereignis propagandistisch ausgiebig genutzt. Umgekehrt war man bei der damaligen Revolutionsregierung (Wohlfahrtsausschuss) nicht glücklich über die Zerstörung, weil klar war, dass sie dem Ansehen Frankreichs und der Sache der Revolution schaden würde. Der Stadt Kusel wurde daher Schadensersatz geleistet, ein recht einmaliger Vorgang.
Der im Befehl als "Volks-Repräsentant" bezeichnete Kommissar der Revolutionsregierung war der aus Sierck in Lothringen stammende Jurist Nicolas Henz (1753-1830), den die politischen Wendungen der nachrevolutionären Zeit bis in die USA verschlugen.
Literatur: Hans-Joachim Seiler, Nicolas Hentz - der Verantwortliche für das Niederbrennen von Kusel am 7. Thermidor II (26. Juli 1794), in: Westrich-Kalender Kusel 1984, S. 44-53
Zeichensprache an der Börse und im Kloster
Am 13. Juli 2010 berichtete die Süddeutsche Zeitung über einen Börsenhändler aus Chicago, der die aussterbende Zeichensprache der Börsenhändler für die Nachwelt erhalten möchte. Er sammelt die Handzeichen auf einer Website (www.tradingpithistory.com). Um sich bei jedem Lärmpegel auf den Börsenparketts verständigen zu können, haben die Händler der Terminbörsen ein System von Handsignalen entwickelt. Da der Handel heute mehr und mehr elektronisch abgewickelt wird, wird bald niemand mehr wissen, wie man mittels Handzeichen ein Geschäft abschließt. Wer weiß denn heute noch, dass bereits die Zisterziensermönche im Mittelalter ein eigenes Zeichensystem nutzten, um sich ohne Worte verständigen zu können?
Der religiöse Orden der Zisterzienser ist nach dem Kloster Cîteaux (Burgund) benannt. Es wurde 1098 von Mönchen gegründet, die die Regel für das Zusammenleben im Kloster, die der hl. Benedikt im 6. Jahrhundert verfasst hatte, rigoroser befolgen wollten als damals üblich. Ihr Ideal zog so viele Männer an, dass sich der Orden von 1120 an geradezu explosionsartig über Europa ausbreitete. Daher feiert die Zisterzienserabtei Himmerod in der Eifel 2010 ein Jubiläumsjahr: seit 875 Jahren leben Mönche zwischen Großlittgen und Eisenschmitt (Landkreis Bernkastel-Wittlich) im Tal der Salm. An der Gründung des Klosters war der bedeutende Abt Bernhard von Clairvaux (1090-1153) beteiligt.
Die Zisterzienser legten größten Wert auf das Stillschweigen, heißt es doch im 6. Kapitel der Benediktsregel: \'Mag es sich also um noch so gute, heilige und aufbauende Gespräche handeln, vollkommenen Jüngern werde nur selten das Reden erlaubt wegen der Bedeutung der Schweigsamkeit. Steht doch geschrieben: "Beim vielen Reden wirst du der Sünde nicht entgehen".\' Um das Schweigegebot einhalten zu können, verständigten sich die Ordensleute mit Zeichen, die man mit den Fingern formte. Zum Erlernen dieser Kunst dienten alphabetische Listen von Begriffen, die anschließend in Zeichensprache beschrieben werden. Eine solche Liste ist im Klosterarchiv in einer eigenhändigen Handschrift des Himmeroder Gelehrten Johannes Siberch zu finden. Das Manuskript enthält außerdem Schriften zur Benediktsregel und zu einigen wichtigen Verfassungstexten des Ordens.
Quelle: Ein Verzeichnis zur Zeichensprache der Zisterzienser, 1484 (LHA Ko Best. 701 Nr. 298)
Literatur:
Bruno Griesser, Ungedruckte Texte zur Zeichensprache in den Klöstern, in: Analecta Sacri Ordinis Cisterciensis 3, 1947, S. 111-128
Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, Bd. 2, bearb. v. E. Overgaauw (Veröffentlichungen des Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 94) Koblenz 2002, S. 363-366